Der letzte Stammtisch lag jetzt schon ein gutes halbes Jahr zurück und so war am 17. April 2023 das Interesse zum Austausch mit knapp 35 online zugeschalteten Personen wieder bemerkenswert hoch. Aufgrund eines Terminkonflikts musste Boris Bundschuh leider seinen Vortrag zum Schellenten-Nistkastenprogramm am Chiemsee absagen. Es ist geplant, das Thema zu einem späteren Termin nachzuholen.

Dementsprechend wurde das Programm kurzfristig umgestellt und Max Kurzmann hat in seinem knappen Jahresrückblick zusätzlich Informationen über die Situation des Braunkehlchens und der Schellente mit integriert. Weitere Aspekte seines Vortrags betrafen die Erstankunft unserer Zugvögel über die letzten Jahre hinweg, die unterschiedlichen Zugwege von Teich- und Sumpfrohrsänger, besonders gut visualisiert mittels EURING „The Eurasian African Bird Migration Atlas“ (https://migrationatlas.org/), Interpretationen zur Phänologie von Bekassine und Kampfläufer insbes. im Zusammenhang mit dem Wasserstand. Außerdem noch Max’ Highlight des vergangenen Jahres: ein Ziegenmelker, auf einem Gartenstuhl schlafend, beobachtet von G. Kraus am 9.9.2022 bei Rosenheim.

Allesamt spannende Themen, die im Anschluss zu einer regen Diskussion einluden.

Beim Braunkehlchen scheinen das Bergener Moos und das Grabenstätter Moos die letzten regelmäßig besetzten Brutvorkommen in der Region zu sein. Allerdings sind die Brutzeitmeldungen sehr spärlich. Ein Appell von Max geht an die Ornitho-Melder mit der Bitte, die Brutzeitbeobachtungen von Braunkehlchen mit mehr Informationen zu hinterlegen: das betrifft besonders Brutzeitcode und exakte Lokalisierung der einzelnen Sänger. Leider geben die vorhandenen Ornitho-Daten nur sehr rudimentär Aussagen über Bestandssituation und Bruterfolg wieder. Weitere unterstützende Aktivitäten finden auch am Irschener Winkel statt, wo neben einem strikten Betretungsverbot der Feuchtwiesen zur Brutzeit zusätzlich von Dirk Alfermann und Johannes Almer Bambusstäbe als Ansitzwarten in die Wiesen gesetzt wurden, um so die Attraktivität für die Braunkehlchen zu erhöhen. Andernorts scheinen diese Maßnahmen schon erfreuliche Früchte zu tragen.

Diskutiert wurden auch die in diesem Frühjahr auffällig geringen Kampfläufer-Beobachtungen am Chiemsee. Zu prüfen wäre, ob es sich hier nur um ein lokales Phänomen handelt oder Ähnliches auch an anderen Orten Bayerns festzustellen war.

Beim Durchgang der verschiedenen Monitoring-Programme stellten Klaus Moritz für den Raum Rosenheim und Niko Mandl für die Kolonie Siegsdorf die Situation des Graureihers dar. Während die unterschiedlichen Kolonien im Kreis Rosenheim eher kleiner und fluktuativ sind, und sich ausschließlich auf Nadelbäumen befinden, scheint die Kolonie in Siegsdorf mit um die 30 Nestern im Aufwind zu sein. Interessant ist, dass sich die Kolonie zu großen Teilen auf Laubbäumen (Buchen) befindet.

Klaus Moritz schloss dann auch gleich mit der Situation der Saatkrähe im Landkreis Rosenheim an. Insbesondere ist hier die Ansiedlungs-Situation im ländlichen Raum spannend und verläuft weitgehend unbekannt. Östlichste (vorübergehende) Ansiedlungen waren bisher bei Halfing. Das Monitoring wird von der Kreisgruppe Rosenheim koordiniert und es gilt der Aufruf, Beobachtungen – insbesondere zu neuen Kolonien – dem LBV direkt zu melden (rosenheim@lbv.de). Weitere Informationen sind auch hier erhältlich: https://rosenheim.lbv.de/naturschutz/voegel/saatkraehen/.

Zum Thema Spechtmonitoring wurden die beiden Arten Kleinspecht und Mittelspecht diskutiert. Der Mittelspecht – bisher äußerst selten in den Landkreisen Rosenheim/Traunstein und ohne gesicherte Brutfeststellung – scheint auf dem Vormarsch zu sein – möglicherweise bedingt durch die Klimaerwärmung. So sind regelmäßige Vorkommen von der Salzach im Osten, wie auch aus dem Münchner Raum im Westen bekannt und es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis sich auch in unserer Region der Mittelspecht niederlässt. Es gilt also: Augen und Ohren offen halten. Der Kleinspecht hingegen, im Münchner Raum lt. Manfred Siering ziemlich rar, scheint bei uns in stabilen Beständen, wenn auch nicht häufig, insbesondere in den Fluss-Auen zu brüten.

Beim Kiebitz zeichnet sich kein einheitliches Bild. Mancherorts recht stabil auf niedrigem Niveau, steht die Art vor allem im Chiemsee-Becken knapp vor dem Verschwinden. Letzte Vorkommen im Grabenstätter Moos und bei Aiterbach scheinen sich nur mühsam zu halten, währenddessen Niko Mandl von einer Ausgleichsfläche bei Obing sehr Positives vermelden konnte: hier brüten die Kiebitze mit bis zu 20 Paaren auf kleiner Fläche quasi kolonieartig und können so Prädatoren-Einflüssen besser begegnen. Das Vorkommen scheint aktuell die größte Population in der Region zu sein.

Zum Abschluss kam dann noch die Situation des Weißstorchs zu Wort. Die Art breitet sich auch in unserer Gegend stark aus. Im direkten Chiemsee-Umfeld gibt es neben Grabenstätt, Winkl, Übersee und Bernau nunmehr auch in Prien einen Horst, gebaut auf der Spitze einer Fichte. Annette Schulten hat auf ihrer Webseite https://fotografie-schulten.jimdofree.com/brutergebnisse/ eine schöne Übersicht über die im Landkreis Traunstein und der Chiemsee-Region bekannten Horstplätze zusammengestellt. So positiv die Storchen-Entwicklung in der Bevölkerung aufgenommen wird, so gibt die Entwicklung insbesondere in Hinblick auf die Herpetofauna zu denken. Manfred Siering berichtet von Erfahrungen, bei denen der Storch in manchen Gebieten schon starken Einfluss auf gewisse Reptilien- und Amphibienvorkommen besitzt. Beobachtungen aus unserer Region scheinen das aber so nicht zu bestätigen, hält sich der Storch hier doch vornehmlich auf den stark bewirtschafteten Fettwiesen auf. Die Einschätzung von Niko Mandl, dass im Chiemsee-Raum noch einige Dörfer einen Storch vertragen könnten, wird von den meisten Teilnehmern vermutlich ähnlich gesehen.