Lange war es im September beinahe hochsommerlich warm und trocken, doch ausgerechnet zum geplanten Termin (Sa., 23.09.) unserer OAG-Exkursion in die Hohen Tauern zeichnete sich schlechtes Wetter ab mit einem Temperatursturz und Regen bzw. Schnee bis unter 2000m. Keine idealen Bedingungen für die großen Greifvögel, die das Ziel der Exkursion sein sollten. So musste am Freitag Nachmittag noch eine kurzfristige Entscheidung gefällt werden: absagen wg. Schlechtwetter, trotzdem gehen und das Wetter ignorieren oder versuchen, den Termin um einen Tag auf Sonntag zu verschieben, für den wieder trockenes Wetter angesagt war. Ein paar Telefonate und Emails später war entschieden: wir verschieben auf Sonntag. Der Nationalpark-Ranger war da freundlicherweise flexibel und auch der weitaus größte Teil der Teilnehmer konnte noch kurzfristig umstellen. Den wenigen Teilnehmern, die aufgrund der Terminverschiebung leider nicht mehr mitkommen konnten, sei zum „Trost“ gesagt, dass der Samstag derart ungünstige Bedingungen mit Nebel, Regen und tlw. Schneefall bis zum Talboden gehabt hätte, sodass der Tag einfach keine gute Option gewesen wäre.

Somit trafen sich die 16 Teilnehmer, angereist in Fahrgemeinschaften per Privat-PKW, am Eingang des Krumltals im hinteren Bereich des Rauriser Tals, umgeben von den schon deutlich angezuckerten 2000ern und 3000ern der Hohen Tauern. Dort begrüßten uns die beiden Ranger Hannes Wiesinger und Matthias Lehnert – Projektleiter für das Greifvogelmonitoring im Nationalpark. Auf sehr unterhaltsame Weise begleiteten und informierten uns die beiden Ranger durch und über das Krumltal. So konnten wir einiges über den Nationalpark Hohe Tauern selbst (größter Alpennationalpark, drei Bundesländer und somit drei Verwaltungen (Tirol/Kärnten/Salzburger Land), Schutzzonen-Unterteilung: Außen-Zone, Kern-Zone und Sonderschutzgebiete), als auch über die Natur und Tierwelt dort erfahren (Bartgeier-Auswilderungsprogramm, Steinadler-Monitoring, übersommernde Gänse- und Mönchsgeier, Stein- und Gamswild etc.). Nach gut einer Stunde gemütlicher Wanderung dann die erste Sichtung eines Bartgeiers: hoch oben, als Silhouette deutlich erkennbar strich ein Vogel den Hang entlang – an der Grenze zwischen Wolken und Berggrat. Trotz der Entfernung war schon ein guter Eindruck von der Größe zu bekommen, insbesondere wenn dann in der Nähe ein Kolkrabe vorbeiflog. Auch die Silhouette ist eigentlich unverwechselbar: die relativ langen und eher schmalen Flügel gepaart mit einem langen Keilschwanz. Das hat man sonst bei keiner einheimischen Greifvogelart in dieser Form. Mit den langen Schwingen und dem Keil-Schwanz ist der Bartgeier in der Lage trotz seiner Größe unglaubliche Flugkünste vorzulegen und gleitet damit scheinbar schwerelos ohne erkennbarem Flügelschlag ganze Bergzüge entlang. Nicht lange danach zeigte sich dann auch noch ein zweiter Bartgeier. Beide tauchten dann immer wieder entlang des Weges auf und bescherten uns eindrucksvolle Erlebnisse.

Auch sonst konnten wir noch einiges über die Geier in den Hohen Tauern erfahren. Im Jahr 1913 wurde der letzte Bartgeier in den Alpen im Aostatal erlegt und gute siebzig Jahre später, seit 1986 läuft das Wiederansiedlungsprojekt des Bartgeiers in den Alpen mit der ersten Auswilderung von Jungvögeln hier im Rauriser Krumltal. Und just ein Weibchen aus den allerersten Jahren der damaligen Auswilderung ist einer der erfolgreichsten Bartgeier in den Hohen Tauern. Mit einem Alter von 35 Jahren hat das Weibchen „Alexa“ zusammen mit dem 1996 ausgewilderten Männchen „Andreas Hofer“ schon das neunte Mal gebrütet – ausgerechnet dieses Jahr leider erfolglos, so Matthias Lehnert. Mittlerweile ist das Bartgeier Auswilderungsprogramm ein richtiges Erfolgsprojekt. Im gesamten Alpenraum leben inzwischen über 200 Bartgeier – Tendenz zunehmend. Die Hauptverbreitung befindet sich in den Westalpen – man erwartet in den nächsten Jahren einen Zusammenschluss der Brutgebiete zwischen der Ost-Population in den Hohen Tauern mit der West-Population, die mittlerweile bis zum Länderdreieck Österreich-Schweiz-Italien reicht. Nach knapp 3 Stunden waren wir an der Bräualm angekommen. Hier hieß es stärken und bei einer kleinen Mahlzeit Erlebtes auszutauschen. Auf dem Rückweg ließen sich dann – bei immer noch frischen Temperaturen – nicht nur die Sonnenstrahlen, sondern auch nochmal die zwei Bartgeier sehen. Schließlich landeten sie sogar unweit in einer Felsnische und verschlangen ein paar Knochen – Bartgeier ernähren sich fast ausschließlich davon. Andere Tier- und Vogelarten gerieten bei der Exkursion dabei ein wenig ins Hintertreffen: Murmeltiere, Steinadler, Kolkrabe, Alpendohle, Turmfalke, Schwarzspecht, Bergpieper, Wasseramsel etc wurden quasi nebenbei registriert.

Leider waren die anderen Geier (Mönchs- und Gänsegeier) – wenige Tage vorher noch im Gebiet beobachtet – nicht mehr anwesend. Vermutlich aufgrund des plötzlichen Temperatursturzes sind sie mittlerweile wohl wieder auf dem Weg in den Süden. Denn anders als der Bartgeier sind die anderen beiden Arten ausschließlich Sommergäste in den Hohen Tauern. Aber immerhin haben uns die Ranger noch verraten, wo diese ihre Schlafwand haben, sodass einem Besuch im nächsten Sommer nichts mehr entgegen stehen sollte ;-). Hoffen wir, dass diese faszinierende Art sich weiter ausbreitet – und wer weiss: vielleicht sehen wir ihn dann in ein paar Jahren auch regelmäßig in den Berchtesgadener und Chiemgauer Alpen.

Rundherum kann man sagen, dass wir einen spannenden und interessanten Sonntag im Hochgebirge verbracht haben und wir freuen uns schon auf die nächste OAG-Exkursion hoffentlich im kommenden Jahr!