Nicht wie bisher üblich am Montag, sondern ausnahmsweise an einem Dienstag, den 05.12., fand der Online-Stammtisch der OAG-Chiemsee statt. Mehr als 25 Teilnehmer hatten sich zur Videokonferenz zugeschaltet und waren neugierig auf die spannenden Themen.

Max Kurzmann begann mit einem kurzen Einblick zur Planzugvogel-Beobachtung. Seit wenigen Jahren haben sich um den Chiemsee dazu drei interessante Beobachtungspunkte etabliert: das Parnsdorfer Feld zwischen Chiemsee und Simssee, der Irschener Winkel am Chiemsee Südwestufer und der Linnersberg bei Chieming. Alle drei Gebiete haben einen unterschiedlichen Charakter und bieten einen hervorragenden, weitgehend hindernisfreien Blick zum bevorzugten Zug-Korridor. Obwohl Max nur einen kleinen Teil der herbstlichen Vogelzugsaison einfing – es waren 4 systematische und 3 semi-systematische Beobachtungstage zwischen 7. und 14. Oktober, vormittags zwischen 7 und 13 Uhr –, sind doch ein paar interessante Ergebnisse herausgekommen: insbesondere der Blaumeisen-Durchzug besaß mit annähernd 3000 Vögeln in 3 Tagen eine große Signifikanz – auch verglichen mit anderen Zugvogel-Zählungen im bayerischen Raum. Höhere Zahlen sind in Süddeutschland nur noch am Ismaninger Speichersee genau zur selben Zeit von Manfred Siering gemeldet worden. Max betonte, dass gerade dieser Vergleich mit anderen Zählungen und Gebieten spannende Interpretationen im Zugverhalten bzgl. Topographie und Witterung ermöglichen.

Im Anschluß gab Marc Kurzmann, der seit diesem Herbst die Koordination der Wasservogelzählung am Chiemsee von Ulrike Riedel übernommen hat, einen Überblick über die Wasservogelzählung, garniert mit interessanten Statistiken. So ging die Wasservogelzählung, die mittlerweile in über 100 Ländern existiert, bereits im Winter 1967/68 am Chiemsee an den Start, anfangs noch mit Lücken – sowohl zeitlich wie auch von der Gebietsabdeckung – dann aber seit 1996 quasi lückenlos bis heute. Das bedeutet, dass zwischen September und April jeweils am Samstag zur Mitte des Monats die 14 Zählstrecken durch mehr als 20 ehrenamtliche Mitarbeiter bearbeitet werden. Gab es in früheren Jahrzehnten vor der Jahrtausendwende noch Gesamtzahlen von bis über 40.000 Wasservögeln an einem einzigen Tag am See, werden diese Zahlen heutzutage bei weitem nicht mehr erreicht. Im vergangenen Jahrzehnt erlangten die Maximalwerte kaum mehr die 20.000er Marke. Die Gründe hierfür sind vermtl. sehr vielschichtig: verändertes Zugverhalten einzelner Vogelarten z.B. durch Klimaerwärmung, tlw. globale Bestandsveränderungen, verschlechterte Nahrungsbedingungen (z.B. durch Ringkanal!), erhöhte Störung durch Freizeitdruck (z.B. (Standup-) Paddler, Kite-Surfer). Genaue Forschungsergebnisse vom Chiemsee fehlen allerdings.

Weitere spannende Details lieferten die präsentierten Statistiken: ein Vergleich der Wasservogelansammlungen zwischen den verschiedenen Zählstrecken im September und den Monaten Oktober bis April zeigte deutliche Unterschiede. Während sich im September die anwesenden Wasservögel noch vornehmlich in den geschützten Buchten aufhielten (Aiterbacher Winkel, Irschener Winkel, Hirschauer Bucht und Seebruck West), sind es zu den anderen Monaten doch vorwiegend die offenen Wasserflächen bei Gstadt, sowie an Ost- und Südufer. Eine valide Interpretation könnte sein, dass im September noch eine stärkere Störung durch Wassersportler stattfindet und sich die Vögel daher mehr in die geschützten Bereiche verziehen. Nicht ganz überraschend ist die Artendiversitätsverteilung zwischen den Zählstrecken. Die strukturreichen Flachwasserzonen beherbergen bis zu 58 verschiedene Wasservogelarten (Irschener Winkel), während die verbauten und steileren Uferzonen mit 29 Arten gerade mal halb so viel bieten (Gstadt, Seebruck Ost). Dementsprechend ist auch die Verteilung der Arten unterschiedlich, wenngleich in beinahe allen Zählstrecken das Blässhuhn im Durchschnitt mehr als die Hälfte aller Individuen stellt. Der Schwimmentenanteil ist in den Flachwasserzonen deutlich höher. Nicht unerwähnt sei an dieser Stelle, dass solche Zahlen und Aussagen nicht ohne die Arbeit der vielen ehrenamtlichen Zähler möglich wären. Ihnen sei an dieser Stelle nochmal ausdrücklich gedankt.

Als letzten Programmpunkt stellte Walter Mandl das Flussseeschwalben-Projekt am Chiemsee vor. Nachdem das Floß am Lachsgang deutliche Schieflage erlitten hatte und mittlerweile ans Ufer gezogen wurde, soll eine neue beständige Lösung her. Walter hat hier in mühevoller Recherche einen Hersteller ausfindig gemacht, der stabile Flöße baut – mit 30 Jahren Garantie! Geplant sind 4 Flöße mit jeweils 4×4 m Größe. Aufgeteilt sollten die Flöße auf zwei unterschiedliche Orte werden: der Lachsgang, als Ersatz des bisherigen Floßes, sowie der Aiterbacher Winkel im geschützten Bereich des dortigen Ostufers. Der Aiterbacher Winkel ist dahingehend sehr vielversprechend, weil hier in großer Regelmäßigkeit im Frühjahr/Sommer die eleganten Vögel mit bis zu über 30 Exemplaren zu beobachten sind – und das noch bis weit in den Mai und Juni hinein. Weiterhin wurden auch klare Anstalten zum Nestbau auf der natürlichen Kiesinsel an der Prienmündung verzeichnet, was aber letztendlich an der sich drastisch ändernden Wasserstandssituation bislang immer zum Scheitern verurteilt war. Da die geplanten Flöße nicht ganz günstig in Herstellung und Ausbringung sind, stellt sich die Frage der Finanzierung. Durch Förderprogramme insbesondere im Zusammenhang mit Natura-2000 Gebieten geht Walter davon aus, dass ein hoher Anteil dadurch gedeckt werden kann. Der LBV Traunstein signalisierte ebenfalls die Bereitschaft für eine Unterstützung, weitere Sponsoren aus der Privatwirtschaft sind denkbar. Chiemsee-Gebietsbetreuer Dirk Alfermann kümmert sich dankenswerterweise um Anträge zu den diversen Fördertöpfen.

In einer anschließenden Diskussion wies Michael Proske, der die Flussseeschwalben am Simssee und am Inn betreut, auf die Problematiken dort hin: ungeklärte Brutaufgaben am Inn, massive Ausfälle durch das Vogelgrippe-Virus H5N1 sowie starke Verbuschung der Inseln am Simssee. Nichtsdestotrotz ist der Optimismus ungebrochen, die Flussseeschwalbe endlich am Chiemsee wieder heimisch zu bekommen – auch wenn noch eine Menge Arbeit ansteht. Drücken wir die Daumen!

Zum Abschluss gab es noch den Aufruf zum Mitmachen beim Wintervogelatlas Bayern – gemeinschaftlich initiiert von LBV und OG Bayern. Das Projekt will in diesem Winter mit einem Probelauf starten und dann die folgenden zwei Winter offiziell an den Start gehen. Da das Projekt ganz frisch aus der Taufe gehoben wurde, war nicht ganz klar, wie es konkret im Detail abläuft. Daher hier noch der offizielle Link dazu, dem alle Details entnommen werden können: https://www.lbv.de/mitmachen/wintervogelatlas-bayern/ . Systematisch bearbeitet werden soll aber auf jeden Fall zweimal im Winter ein Messtischblatt-Quadrant. Die Übersichtskarte auf oben genannter Internetseite zeigt noch viele grüne, unbearbeitete Quadranten in den Landkreisen Rosenheim und Traunstein – also noch viel Platz, um sich einen Quadranten vor der Haustüre zu reservieren und mitzumachen.

Der nächste Stammtisch wird aller Voraussicht nach im Mai 2024 stattfinden. Wer hier einen Beitrag hat, kann sich gerne bei uns melden.

Bis dahin wünschen wir weiterhin spannende Beobachtungen in der heimischen Natur.

Eure OAG Chiemsee

Die Vortragsfolien: